
Eulen und Meerkatzen
Kiesgroup waren nie Zuarbeiter eines hektischen Tagesgeschäfts. Als Apologeten der Unabhängigkeit dachten, fühlten und atmeten Maximilian Stamm, Andreas Hubert van der Wingen, Stefan Jürke und Tom Vermaaten schon immer langfristiger und antizyklischer. Jetzt sind sie zurück und ihre neusten Notizen reif für die Ewigkeit. Mit gewohnt unvertrauten Worten erzählen sie uns von einer Welt, in der wir uns schlaglichtartig wieder zu erkennen glauben, obwohl die Dinge auf dem Kopf stehen.
Auf ihrem fünften Album entfalten die Songs der Kiesgroup eine Gelassenheit, die wir so noch nicht kannten. Leichtfüßiger denn je steppen sich die Düsseldorfer durch die Genres. Allein ein Tempowechsel ist Anlass genug, um vom jazzigen Mood nonchalant in eine punkrockige Attitüde hinüber zu wechseln. Nicht jeder Reim wird ausgereizt. So manche Ungereimtheit greift in Zwischenräume, fällt sich selbst ins Wort, darf auch mal stehen bleiben, sich einfach um sich selbst drehen, als Sprache liebendes sich durch Tiermetaphern morphendes Fragezeichen in ständig wechselndem Gewand. Eher frei scheint die Sicht im Untertagebau als auf die Dimensionen des Überbaus. Welchen Weg wir nehmen, müssen wir immer noch selbst entscheiden. Und das können wir auch. Die dichterische Offenheit ist nie nur lapidares Schulterzucken, sondern entspringt der unerschütterlichen Gewissheit, dass Gott auch nur ein Mensch ist, der lächelt, wenn er nicht gerade lacht.
Mit gewohnt unvertrauten Worten gewinnt die Kiesgroup unser Vertrauen, verrät uns, wo der Hase lang läuft. Zumindest scheint es so für jeden wunderbaren Moment. Doch wir dürfen uns nie in Sicherheit wähnen. Die Vertrautheit einer aufblitzenden Kindheit schlägt schnell um in Desorientierung. Und schon ist es um uns geschehen. Wenn man sich einen Tatort mal genau ansieht, sieht man irgendwann gar nichts mehr. The kids are alright but who are they? Und wo sind wir, wenn es drauf ankommt?
In der Popreferenzhöhle brennt immer noch ein Licht. In vergessenen Bildern und ewigen Themen bricht sich Misstrauen seine Bahn. Dennoch wird es nie ausweglos. Von der Fabel bis zum klassischen Chanson findet sich im Verborgenen immer ein Trampelpfad, der uns wieder zurück ins epische Theater setzt. Das erklärt uns dann im Vorbeigehen, wie das Leben eben so ist. Wie es war – von draußen betrachtet und von innen erdacht, erinnert, erlogen – und wie es werden wird. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Denn Schelme, Umwege und Geheimnisse sind auf “Eulen und Meerkatzen” systemisch unabdingbar. Für ein Übermorgen. Für unser aller Übermorgen.
Axel Ganz, April 2016